Die Menschheit wird im Schnitt immer älter – und gleichzeitig gefühlt auch immer jünger. Was paradox klingt, macht jedoch Sinn, denn was würde uns ein längeres Leben bringen, wenn wir uns dabei alt fühlen würden? Alt sein und sich alt fühlen sind also in dieser Hinsicht zwei Paar Schuhe, denn ein Leben im fortgeschrittenen Alter hätte wenig Qualität, wenn es vornehmlich von den Einschränkungen geprägt wäre, die wir gemeinhin mit „alt sein“ assoziieren. Dieses „Sich-Jünger-Fühlen-Als-Man-Ist“, ist also genau das Phänomen, das wir mit „Downaging“ meinen.
Noch bis vor zwanzig, dreißig Jahren konnte man Menschen jenseits der 60 schon von Weitem als „alt“ erkennen. Es zeigte sich meist nicht nur an der Art sich zu halten und zu bewegen, sondern auch an den grauen Haaren und am Kleidungsstil. Dunkle, gedeckte Farben kennzeichneten die Garderobe eines „alten Menschen“, sie glich nahezu einer Uniform für eine bestimmte Altersgruppe. Nicht nur rein körperlich und mental enstpachen Ältere damals noch einem gewissen Klischee, auch äußerlich schien man sich in eine bestimmte Rolle zu fügen.
Neben allen medizinischen, ernährungs- und technologiebedingten Beiträgen zur Verjüngung von Menschen ist es genau dieses Rollenverständnis, das sich im Zuge des Downagings auflöst. Das Bewusstsein, dass man sich jetzt in eine ruhige Lebensphase mit geringeren Erwartungen an das Leben begibt, hat sich radikal geändert. Die Entwicklung, dass sich immer mehr Menschen um bis zu 15 Jahre jünger fühlen als sie tatsächlich sind, wurde sowohl durch äußere als auch innere Veränderungen herbeigeführt.
Die äußerlichen Faktoren, die das Downaging begünstigt haben, sind vor allem der Medizin zu verdanken, die immer mehr altersbedingte Einschränkungen „kurieren“ oder zumindest aufschieben kann. Im Resultat enstehen Gesellschaften, in denen es weit mehr Menschen jenseits der 65 gibt als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte. Somit haben sich auch die Ansprüche an ältere Menschen verändert, siehe beispielsweise die Verschiebung des Renteneintrittsalters.
Mit diesen äußeren Veränderungen sind viele innere einhergegangen, so zum Beispiel die Bereitschaft, auch in und nach der Phase der Erwerbstätigkeit noch Neues zu lernen. Aber auch das private Leben bietet heute in späteren Lebensphasen noch Aussichten. Wenn die körperliche und geistige Fitness noch gegeben ist, wagt man auch in fortgeschrittenem Alter noch Veränderungen anzugehen, sei es in Beziehungen, durch Ortswechsel oder auch in Form einer neuen Beschäftigung, etwa Sport oder auch soziales Engagement. Viele sogenannte „Silver Ager“ können ihr Leben im Alter sogar mehr genießen, weil sie die großen Kämpfe des Lebens bereits ausgefochten haben und die Lebenserfahrung ihnen Selbstbewusstsein und Stärke gegeben hat.
Downaging gilt als einer der großen Trends unserer Zeit ebenso wie der Diversity-Trend. Ob Zufall oder nicht, diese beiden Strömungen greifen perfekt ineinander. Wir erkennen heutzutage nicht nur, wie wichtig die Repräsentation unterschiedlicher Kulturen, Ansichten, sexueller Orientierungen oder Geschlechter für das Funktionieren des Sozialwesens ist, sondern wie auch die Erfahrungen und Bedürfnisse älterer Menschen hierfür berücksichtigt werden müssen. Da ist es gut zu wissen, dass die heutige Generation der „Alten“ auch noch Lust am Mitreden und Mitgestalten hat und nicht bloß passiver Zuschauer ist.