Wie man die biologische Uhr zurückdrehen könnte
Ein langes Leben ist der Traum vieler Menschen. Die meisten würden es gerne verlängern und manche wollen wissen, wieviel Zeit sie noch haben und idealerweise darauf Einfluss nehmen. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Länge der Telomere recht gut Auskunft über den Zustand unserer Zellen und damit über unsere Lebenserwartung geben. Unter Telomeren versteht man die Endkappen der Chromosomen (auf denen die Erbinformation liegt) in unseren Zellen. Ähnlich wie bei den verstärkten Enden von Schnürsenkeln schützen Telomere die Chromosomen vor Schäden. Im Laufe eines Lebens allerdings werden sie immer kürzer und ihre Wirkung lässt nach. Daher lässt sich das Alter eines Menschen anhand ihrer Länge in der Regel gut bestimmen. Telomere sind quasi die Zeiger unserer tickenden Lebens-Uhr.

Kein Wunder, dass sich Forschende überall auf der Welt damit beschäftigen, wie man Telomere verlängern könnte. Denn bei jeder Zellteilung verkürzen sie sich und büßen damit einen Teil ihrer positiven Effekte ein. Hat die Telomerenlänge eine kritische Untergrenze erreicht, finden keine weiteren Zellteilungen mehr statt. Die Uhr ist abgelaufen, die Zelle stirbt oder wird anfällig für krankhafte Veränderungen wie Krebs.
Doch wir können die Länge der Telomere beeinflussen, indem wir unsere Zellen weniger oxidativen Belastungen aussetzen und zum Beispiel auf eine gesunde Ernährung achten und Umweltgifte und chronischen Stress vermeiden. Die Molekularbiologin Elizabeth Blackburn von der Universität Kalifornien und der Ernährungsmediziner Dean Ornish erforschten 2008 die Auswirkungen einer pflanzenbasierten Ernährung, kombiniert mit einem sanften Sportprogramm, auf die Aktivität des Enzyms Telomerase, das die Telomere wieder herstellt. In der Studie ernährten sich 24 Männer drei Monate lang vorwiegend vegan und praktizierten Yoga. Nach Ablauf des Testzeitraums hatten sich nicht nur ihr Body-Mass-Index und ihre Blutwerte signifikant verbessert sondern auch die Telomere verlängert. Elizabeth Blackburn bekam 2009 für ihre Telomerase-Forschung den Nobelpreis für Medizin. Zusätzlich untersuchte Blackburn die Auswirkung von dauerhaftem Stress auf die Telomere und stellte fest, dass beispielsweise Mütter, die sich zusätzlich noch um kranke Angehörige kümmern mussten, verkürzte Telomere aufwiesen.
Eine andere Vorgehensweise war für verschiedene Wissenschaftler die Betrachtung von Zellen, die nicht den üblichen Tod nach 50 Teilungen sterben, nämlich Stammzellen und Keimzellen. Diese teilen sich deutlich häufiger als Körperzellen und altern bedeutend langsamer. Verantwortlich dafür ist vermutlich wiederum das Enzym Telomerase, das in beiden Zellen aktiv wirkt und die Telomere immer wieder regeneriert.
Die Telomerenforschung befindet sich noch in den Anfängen, doch für die Präventivmedizin eröffnen sich bereits interessante Perspektiven. Vor allem der Telomeraseaktivator Ta-65 wirkt vielversprechend. Dabei ist Ta-65 mitnichten neu. In der Traditionellen Chinesischen Medizin verwendet man bereits seit Jahrhunderten die Heilpflanze Astragalus Membranceus. Ein Molekül dieser mongolischen Pflanze ist in der Lage, Telomerase auch in Körperzellen zu aktivieren. Die Entwicklung eines entsprechenden Medikaments gestaltete sich allerdings schwierig. Inzwischen gibt es Ta-65-Kapseln als Nahrungsergänzungsmittel – allerdings ist die Monatsration mit über 200 Euro nicht gerade billig. Auch sind Studien und vor allem Langzeitbeobachtungen über die Wirksamkeit des Telomeraseaktivators noch rar, doch Nutzer berichten über positive Effekte auf das Immunsystem. Jedoch sind verkürzte Telomere nicht das Einzige, das uns altern lässt. Wissenschaftler gehen davon aus, dass es noch etliche weitere Alterungsmechanismen gibt, die uns über die Jahre vom Kind zum Greis machen.